24. Februar 2014 Sadou Bah und Michael Schmitz

5 Jahre ASZ: Eine Schule, entstanden aus Bewegung...

... bleibt in Bewegung. 

Fünf Jahre ist es her, seit auf Initiative einiger Sans-Papiers des Bleiberecht-Kollektivs in einem besetzten Haus an der Manessestrasse die ersten Deutschkurse der ASZ stattfanden. Zehn Schulhäuser später ist daraus ein grosses und vielfältiges Projekt geworden, mit verschiedensten Kursen, Veranstaltungen und einem Kino. Ein Kern von ca. achtzig Personen arbeitet beständig am Projekt, mehr als 250 Personen besuchen die Kurse. Fünf Jahre nach ihrer Gründung bleibt die ASZ in Bewegung - und dies nicht nur, weil ihr Raumproblem noch immer nicht gelöst ist.

Am 19. Dezember 2008 besetzte eine Gruppe von Sans-Papiers und Solidarischen in einer spektakulären Aktion die Predigerkirche in der Zürcher Altstadt, um für die Rechte der Flüchtlinge zu kämpfen. Fast drei Wochen blieben die Aktivist_innen von Bleiberecht Zürich dort und erreichten eine hohe Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit. Als konkretes politisches Resultat der Besetzung führte der Kanton die Härtefallkommission wieder ein, welche als Zweitmeinungsgremium neben dem Migrationsamt die Gesuche von Sans-Papiers um eine Aufnahme aus humanitären Gründen beurteilt.

Enttäuschte Hoffnungen und Wanderschaft

Viele der protestierenden Flüchtlinge setzten anfangs grosse Hoffnungen in ein Härtefallgesuch. Da das Migrationsamt neben vielen anderen Kriterien auch Deutschkenntnisse auf Niveau B1 verlangte, hatte das Sprachelernen für viele eine hohe Priorität. Dies gab den Anstoss zu den Deutschkursen. Zur Finanzierung der ÖV-Ticketkosten der Flüchtlinge wurde im Sommer 2009 der Verein Bildung für Alle gegründet. Die Hoffnungen der Flüchtlinge sollten jedoch bald enttäuscht werden. Ihre Gesuche wurden in den allermeisten Fällen abgelehnt, mal mit der Begründung, sie seien zu wenig gut integriert, mal mit dem Argument, sie hätten in der Schweiz ja ihre Integrationsfähigkeit unter Beweis gestellt und könnten sich daher sicher auch in ihrem Herkunftsland wieder integrieren.

Doch die Deutschkurse waren von Anfang an viel mehr als ein Mittel zum Zweck der Erlangung einer Bewilligung. Begriffe wie Emanzipation, Selbstorganisation, Wissensaustausch, Schule als politische Aktion gehörten und gehören zum Selbstverständnis der Gruppe, welche sich schon bald mit der Besetzer_innenszene verknüpfte. In den nächsten vierzehn Monaten sollte die „Wanderschule“ nicht weniger als neun Mal ihren Standort wechseln. Besetzte Häuser, das Theaterhaus Gessnerallee, der Infoladen Kasama, der Clubraum der Roten Fabrik: Sie alle beherbergten die ASZ über kurz oder lang, bis diese im April 2010 eine Baracke auf dem Güterbahnhofareal besetzte und dort drei Jahre lang bleiben konnte. 

Die ASZ ist Teil einer emanzipatorischen Bewegung

Weil wir eine Vision haben, weil wir uns als Teil einer emanzipatorischen Bewegung sehen, die für eine solidarische Welt ohne Diskriminierung, Unterdrückung und Ausbeutung kämpft, weil diese Bewegung Räume braucht, um zu gedeihen, nur darum hatten und haben wir die Kraft, trotz aller Widrigkeiten immer weiterzumachen. In der Autonomen Schule verbindet sich der antirassistische Kampf mit dem Thema der freien, emanzipatorischen Bildung und dem Kampf für das Recht auf Stadt. Im Mikrokosmos der Schule versuchen wir uns möglichst basisdemokratisch zu organisieren und in der Gemeinschaft das Ideal der Solidarität zu leben. Doch dies reicht nicht. Das wird uns auf ziemlich brutale Weise immer wieder vor Augen geführt. Festnahmen, Ausschaffungen und das rassistische politische Klima in der Schweiz erfordern Aktionen ausserhalb der Schulwände. So verbinden sich in der ASZ ganz verschiedene Ebenen und Themen zu einem kraftvollen Projekt, für das es sich zu kämpfen lohnt. Gut möglich, dass dies schon bald wieder nötig ist. Unsere gegenwärtigen Räume an der Badenerstrasse 565 sind nur bis Ende Mai 2014 gesichert. Wie es nachher weitergeht, ist ungewiss.

Der Umzug in die Badenerstrasse – ein wichtiger Schritt

In den drei Jahren der Sesshaftigkeit am Güterbahnhof konnte sich die ASZ als eigenständiges Projekt etablieren, hatte aber auch viele Probleme. Die Deutschkurse konnten in fünf Niveaustufen angeboten werden. Die Organisationsstruktur wurde immer wieder überdacht, verbessert und angepasst. Aber die vier Räume, die wir zur Verfügung hatten, waren überfüllt. Der Zustand der Infrastruktur war für Kinder nicht geeignet. Zudem haben sich viele Frauen nicht wohl gefühlt. Als Folge kamen viel mehr Männer als Frauen. Das Konzept, das Projekt durch Partys am gleichen Ort zu finanzieren, hat seine Grenzen gezeigt.
Im Mai 2013 fand die ASZ eine neue Heimat an der Badenerstrasse 565. Die Vielzahl der Räume ermöglichte eine Erweiterung der Angebote und einen spektakulären Zuwachs an Teilnehmenden und Moderierenden: 70 Moderierende und über 300 Teilnehmer_innen. Sechs Niveaustufen allein in den Deutschkursen können nun angeboten werden. Die Kurse sind vom Montag bis Sonntag verteilt.

Fortschritte durch eine neue Organisationsstruktur

Mit dem Umzug gab sich die ASZ auch eine neue Struktur in Form von Arbeitsgruppen. Elf Arbeitsgruppen sind aktuell tätig: Bibliothek, Finanzen, Frauengruppe, Gemeinschaftsleben, Infrastruktur, Kino, Pädagogik, Rechtshilfe, Schulbüro, Sport und Theorie. Die verschiedenen Gruppen arbeiten autonom. Entscheide, welche die ganze Schule betreffen, werden im Plenum gefällt. Seit es die Arbeitsgruppen gibt, beteiligen sich viel mehr Menschen an der alltäglichen Gestaltung und an Entscheidungen in der ASZ, denn es gibt nun gut zugängliche Möglichkeiten sich zu engagieren. Zudem nahm die Frauengruppe einen eigenen Frauenraum in Beschlag, und überhaupt sind Frauen viel sichtbarer geworden. 

Eine Insel des Friedens und der Selbstbestimmung

Damit nimmt der Kampf für Selbstbestimmung, gegen Rassismus, Ungerechtigkeit und Isolierung seinen Lauf. Wir sind diesem Abschnitt in unserem Grundsatzpapier näher gekommen: „Durch die ASZ schaffen wir einen Raum für Gemeinschaft und Wissensaustausch, welcher uns die Möglichkeit zur Selbstermächtigung, zum Ausdruck einer eigenen Stimme und Kreativität geben soll. Wir wollen ein gesellschaftliches Ideal vorleben, in dem jeder Mensch frei atmen und ohne Rassismus, Sexismus, Diskriminierung und Konkurrenz leben kann.“
Wenn wir sagen, dass die ASZ auch in Zukunft in Bewegung bleibt, meinen wir damit nicht nur die Teilnahme an politischen Aktionen und Demos. Diese sind zweifelsohne ein unverzichtbarer Teil politischer Arbeit. Aber auch dann, wenn an der ASZ Menschen verschiedenster Hintergründe und Herkunft sich austauschen und verständigen können und sich im Kollektiv organisieren, sind wir politisch. Wenn wir lernen, selbstständig zu denken und zu handeln, sind wir politisch. Wenn unsere Fussballmannschaft an Turnieren teilnimmt oder Teilnehmende der ASZ mit Schüler_innen von Gymnasien sprechen, sind wir politisch. Wir machen antirassistische Basisarbeit. Nicht zuletzt ist auch die Papierlose Zeitung für uns ein wichtiges Instrument, in der Öffentlichkeit ein Bewusstsein für migrantische und emanzipatorische Themen zu schaffen. All dies bewirkt, dass wir uns als soziale Bewegung sehen. Die ASZ widerlegt die Politik der Angstmacherei. In der ASZ bilden wir die Grundlage einer solidarischen Gesellschaft, in der jede Form von Ungerechtigkeit bekämpft wird. 
 

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