24. Februar 2014 Sadou Bah und Michael Schmitz

Das Aufenthaltsalphabet

Eine Übersicht darüber, was die Aufenthaltsbuchstaben B, F, N und C wirklich heissen.

Ohne Bewilligung

Abgewiesene Asylsuchende (sekundäre Sans-Papiers) leben von der Nothilfe mit Fr. 8.50/Tag. Sie dürfen nicht arbeiten. Bei der Polizeikontrolle werden sie zum Polizeiposten mitgenommen und müssen sich mit Fingerabdruck identifizieren lassen. Sie müssen immer mit Bussen und Gefängnis bis zu 18 Monaten rechnen und können schlussendlich ausgeschafft werden. Sie leben mit der ständigen Angst kontrolliert zu werden. Dies gilt natürlich auch für primäre Sans-Papiers. Sie haben kein Asylgesuch gestellt und arbeiten meist schwarz. Bei Polizeikontrollen können sie sofort ausgeschafft werden. Für viele ist das Leben als Sans-Papiers traumatisierend.


N

Im Asylverfahren

Man/frau wartet auf die Entscheidung vom Bundesamt für Migration (BfM) und darf vom Gesetz her arbeiten, bekommt aber kaum eine Arbeitsbewilligung, weil Leute mit Aufenthaltsbewilligung Vorrang haben. Eine SIM-Karte auf den eigenen Namen zu kaufen ist unmöglich. Nicht wenige Asylsuchende werden nach viereinhalb Jahren Wartezeit abgewiesen. In dieser Zeit bezahlt die Gemeinde oft keine Deutschkurse. Und selbst bezahlen geht nicht, weil man/frau ja nicht arbeiten kann. Wegen Perspektivenlosigkeit werden viele depressiv.


F

vorläufige Aufnahme

F heisst «Forläufig» und wird nicht politisch verfolgten Flüchtlingen aus Kriegs- und Krisengebieten wie Somalia oder Tibet «gewährt». Die Bewilligung muss alle zwölf Monate erneuert werden. Auslandreisen sind fast unmöglich. Eine SIM-Karte auf den eigenen Namen zu kaufen geht nicht. Arbeiten ist zwar erlaubt, aber wegen des prekären Status' ist es schwierig, eine Stelle zu finden. Da kann es leicht passieren, dass man/frau nicht von der Sozialhilfe wegkommt. Das heisst aber wiederum, dass es schwierig ist, die Familie in die Schweiz nachzuziehen. Ab drei Jahren Aufenthalt in der Schweiz kann zwar ein Familiennachzug beantragt werden, aber nur wenn man/frau nicht sozialhilfeabhängig ist. Das Gleiche gilt, wenn frau/man nach fünf Jahren per Härtefallgesuch eine B-Bewilligung erhalten will. Bessert sich die Situation im Herkunftsland, muss frau/man mit dem Verlust der Bewilligung und der Ausschaffung rechnen. Da das BfM oft merkwürdige Vorstellungen von «Besserung» hat, kann dies mit Gefängnis und Folter enden, so geschehen im Fall von einigen Tamil_innen, welche diesen Sommer nach Sri Lanka deportiert wurden.


B

Aufenthaltsbewilligung

Eine B-Bewilligung zu bekommen ist leicht – wenn man/frau aus der europäischen Union stammt oder ein_e profitbringende_r amerikanischer Manager_in ist. Für alle anderen ist es schwieriger: Anerkennung als Flüchtling, Heirat oder eine Sonderbewilligung als «Spezialist_in» sind die einzigen Wege. Die Bewilligung ist ein bis fünf Jahre gültig. Sie gibt eine gewisse Sicherheit. Es gibt mehr Integrationsangebote, aber für viele ist es dennoch schwierig, eine Arbeit zu finden, die ihnen gefällt.


C

Niederlassungsbewilligung

Mit dem Ausweis C entfällt der ständige Erneuerungsstress. Er ist unbefristet gültig. Doch aufgepasst: Wer ohne das Migrationsamt zu benachrichtigen länger als sechs Monate im Ausland lebt oder sich in der Wohngemeinde ins Ausland abmeldet, verliert die Bewilligung unwiderruflich! Gegenwärtig werden im Parlament einige Verschärfungen zur Erlangung der C-Bewilligung diskutiert: Die Frist zu deren Erlangung soll für alle auf zehn Jahre erhöht werden (bisher: fünf Jahre bei guter Integration) und die Bewerber_innen sollen ihre Deutschkenntnisse beweisen. Zu diesen Verschärfungen haben Inhaber_innen der C-Bewilligung selbst nichts zu sagen: Sie sind wie die anderen 1,8 Millionen «Ausländer_innen» in der Schweiz (23,3% der Bevölkerung) vom Bürgerrecht und damit von der Partizipation im politischen System ausgeschlossen.


+

Schweizerpass

Es ist kein billiges Vergnügen, in der Schweiz die politischen Rechte zu erhalten: Über 1000 Franken kostet es beispielsweise in der Stadt Zürich. Dazu muss an vielen Orten eine Sprachprüfung und ein Staats- und Heimatkundetest absolviert werden. Um überhaupt so weit zu kommen, müssen Erwachsene zwölf Jahre in der Schweiz gelebt haben (bei Heirat: fünf Jahre). Da in der Schweiz die Gemeinde das Bürgerrecht vergibt, wird oft auch eine gewisse Wohndauer am betreffenden Ort verlangt, in Affoltern am Albis z. B. zwei Jahre ohne Unterbruch. Wer einmal sozialhilfeabhängig war, hat es schwer. In Affoltern sind alle vom Verfahren ausgeschlossen, die in den letzten fünf Jahren Sozialhilfe bezogen. Kein Wunder verzichten angesichts dieser Hürden viele auf die Einbürgerung.

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