24. Februar 2014 Ibrahim

Drei Monate Freiheitsstrafe: «Nicht frei zu sein – das macht mich traurig.»

Ibrahim*, ein junger Mann aus Afrika, musste schon zwei Mal für drei Monate ins Gefängnis. Getan hat er zweimal nichts ,und die nächste Gefängnisstrafe kann jederzeit folgen: Ibrahim ist illegal in der Schweiz. Da er die Bussen à 3 000 Franken nicht bezahlen kann, muss er jeweils Ersatzfreiheitsstrafen absitzen. Ibrahim lebt hier seit bald vier Jahren, ist in der Autonomen Schule Zürich (ASZ) aktiv und spricht gut deutsch. Hier berichtet er von seiner zweiten Gefängnis­strafe im offenen Vollzugszentrum Bachtel in Hinwil.

Der erste Tag in Hinwil war schlecht. Ich kam in ein Zimmer mit drei Männern, die alle rauchten. Einer von ihnen war krank, er war wie betrunken und rauchte ohne Unterbruch. In diesem Zimmer wohnte ich die ersten drei oder vier Wochen. Viele in diesem Gefängnis waren krank, nahmen Tabletten und ihre Körper waren nicht gesund. (Anm. d. Red.: In dieser Anstalt haben sehr oft drogenabhängige Personen Strafen abzusitzen.)

Ich konnte vom ersten Tag an arbeiten. Ich musste auch, denn ich war da, um meine Busse wegen illegalem Aufenthalt abzuarbeiten. Als erstes wurde ich dem Blumenverkauf zugewiesen, wo ich den Boden putzte und andere Dinge im Hintergrund tat. Ich war nicht direkt im Verkauf tätig. Am zweiten Tag musste ich Blumen in die Erde setzen, später dann jäten. Nach einem Monat bei den Blumen wechselte ich den Arbeitsplatz. Man sagte mir, jetzt käme ich nach  «Afrika» – so nannten sie das Treibhaus, wo Salate, Tomaten, Peperoni, Randen und vieles mehr wuchs. Ich musste da morgens und abends Wasser geben, denn es waren heisse Tage. Ich arbeitete sieben Tage in der Woche, das war mein Wunsch, denn ohne Arbeit war mir langweilig.

Die Zeit im Gefängnis war nicht schön, aber auch nicht sehr schlecht. Ich konnte sehen, wie es im Gefängnis ist und die Menschen dort kennenlernen. Das immerhin finde ich nicht schlecht.

Es ist ganz einfach die Tatsache, nicht frei zu sein, die mich traurig machte.
Ich wurde gut behandelt. Im Unterschied zum Ausschaffungsgefängnis in Kloten zum Beispiel ist es in Hinwil gut. Man kann nach draussen. Es ist ein normales Haus ohne Zäune rundherum.

Nach dem ersten Monat bekam ich Besuch von Freunden aus der ASZ. In diesen Momenten konnte ich vergessen, dass ich im Gefängnis war. Die Besuche gaben mir viel Mut, sie berührten mich und zeigten mir, dass ich nicht alleine war. Gott hat mir durch diese Leute geholfen. Mit den Büchern, die sie mir brachten, konnte ich weiter Deutsch lernen, was ich dann zum Beispiel beim Pingpongspielen mit den anderen Insassen üben konnte. Ich verstand mich gut mit ihnen.

Die meisten der anderen Männer waren im Gefängnis, weil sie etwas verbrochen hatten; etwas gestohlen oder ähnliches, so erzählten sie mir. Dass ich da war, bloss weil ich mich ohne Papiere im Land aufhalte, hat sie alle erstaunt.

Sie fanden das seltsam und unverständlich.  Ich habe im Unterschied zu ihnen nichts Schlechtes getan, nicht mit Drogen gedealt und nichts gestohlen, sondern ich bin bloss Flüchtling – wegen dem Krieg in meinem Land.

Nach drei Monaten wurde ich wieder freigelassen mit der Aufforderung, das Land zu verlassen. Ja, ich werde die Schweiz sicher irgendwann verlassen – hin zu einem Ort, wo ich besser leben kann. Im Moment aber engagiere ich mich hier in der ASZ und lebe mit dem Geld, das ich von der Nothilfe bekomme. Geld also, das mir derselbe Staat gibt, der mich auch verhaftet. Komisch, oder?
In der Schweiz gibt es viele Polizeikontrollen und anders als zum Beispiel in Italien und Spanien wird man als Illegaler hier verhaftet und eingesperrt. In Italien lassen sie dich wenigstens in Ruhe. Angst vor der nächsten Verhaftung habe ich aber nicht. Ich kann sowieso nichts dazu sagen.

Aufgezeichnet von Hanna Gerig

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