22. Mai 2015 AG Recht

Einblick in den Alltag der Asylverhinderungs-Politik

Die AG Recht der ASZ zeigt an einem konkreten Fall, welche Hürden des Asylverfahren Geflüchteten in den Weg stellt.

Kommentar von Mamadou Dabo zu seinem Asylverfahren: «Ihr redet von der senegalesischen Demokratie. Wisst Ihr, wovon Ihr da sprecht? Manipulierte Wahlen, politische Gegner, die psychisch und physisch gefoltert werden. Fichierte Leute, die keine Arbeit mehr finden können. Ein Land, in dem die Regel gilt: ‹Entweder bist du für oder gegen mich.› Geht in die Casamance-Region und fragt die Bewohner_innen, was sie von der senegalesischen Demokratie halten. Erspart Euch doch das ganze Prozedere und sagt uns klar, aus welchen Ländern die Leute keine Chance haben, Asyl zu erhalten. Sonst wird das Asylverfahren zur Farce und weckt falsche Erwartungen bei uns Flüchtlingen.»

Erste Hürde
Erstbefragung im Aufnahmezentrum. Kurz und nur in Stichworten. Trotzdem beziehen sich die Befrager_innen bei der folgenden Bundesanhörung stark auf die Erstbefragung. Widersprüche werden hervorgehoben, obwohl zwischen beiden Befragungen bis zu einem Jahr vergehen kann.

Zweite Hürde
Übersetzung in eine der Landessprachen, wobei Französischsprechende in der deutschen Schweiz ausnahmslos ins Deutsche übersetzt werden. Ungenauigkeiten lassen sich kaum vermeiden, eine wunderbare Grundlage, um die Asylsuchenden in Widersprüche zu verwickeln. Selbst wenn ein Asylbewerber wie Dabo bereits während der Befragung auf die Probleme in der Übersetzung aufmerksam macht, wird darauf kaum Rücksicht genommen. Im Gegenteil: Als Dabo in seinem Rekurs zum Asylentscheid forderte, dass die Bundesbefragung wegen gravierender Falschübersetzungen wiederholt werde, ging das Verwaltungsgericht erst gar nicht darauf Die Aein. Dabo habe durch die Unterschrift unter jeder Seite der Befragung die Richtigkeit des Protokolls bestätigt. Das führt zur …

… dritten Hürde
Asylbewerber_innen bringen verständlicherweise eine grosse Bereitschaft mit, die Abläufe des für sie undurchsichtigen Verfahrens zu achten. Sie bringen dem Land, in dem die UNO-Menschenrechtsbehörden einen ihrer Hauptsitze haben und in welchem das SRK gegründet wurde, einen grossen Respekt entgegen. Bis sie gemerkt haben, was sich hinter der glänzenden Fassade verbirgt, ist es meist zu spät. Eindrücklich ist die Verwirrung der Asylbewerber_innen während der Befragung, wenn sie feststellen, dass es nicht darum geht, ihre Fluchtgründe verstehen zu wollen, sondern dass die Befragung vor allem dazu dient, scheinbare Widersprüche aufzudecken. Die mitteleuropäische Denkweise dahinter: Wer wirklich erlebt hat, was sie/er schildert, muss sich genau an Ablauf und Datum erinnern. Wenn dies nicht zutrifft, ist die Geschichte falsch. Aber Achtung: Wer Daten und Ereignisse widerspruchsfrei wiedergibt, kann durchaus auch am Vorwurf scheitern, eine auswendig gelernte Geschichte wieder zu geben.

Vierte Hürde
Wer wie Dabo aus einem Land stammt, das als demokratisch gefestigt gilt, hat eigentlich von vornherein keine Chance, Asyl zu erhalten. Das Asylgesuch wird unter fadenscheinigen Gründen abgelehnt. Jeder noch so sorgfältige Versuch, die Argumente der Asylbehörden zu widerlegen oder die Situation der asylsuchenden Person genauer zu beschreiben, hat kaum Aussicht auf Erfolg. Wo Argumente nicht mehr ausreichen, wird einfach pauschal behauptet, es müsse nicht näher auf den Rekurs eingegangen werden, weil:

  • Die Vorinstanz den Sachverhalt ausreichend gewürdigt habe.
  • Die/der Rekurrent_in mit ihrer/seiner Unterschrift die Richtigkeit der Befragung und der Übersetzung bestätigt habe.

Für Dabo war klar: Wenn sein Asylgesuch abgelehnt wird, hat er nach 15 Jahren Leben im Provisorium genug und will zurück in die Casamance. Bereits im Spätfrühling 2014 begann er mit der Ausarbeitung eines Fischzuchtprojekts. Nach der definitiven Ablehnung seines Asylgesuchs nahm er deshalb Kontakt auf mit dem Zürcher Büro für Rückkehrberatung (BfR) und beantragte beim Bundesamt für Migration eine Verlängerung der Ausreisfrist. Diese wurde ihm auch bis zum 9. Dezember 2014 gewährt. In Absprache mit dem BfR kontaktierte er zudem das senegalesische Konsulat in Genf und sprach dort auch persönlich vor. Trotz der Zusicherungen aus dem BfR, dass seine Bemühungen ausreichend seien und er zur Papierbeschaff ung nicht mehr unternehmen könne, verlängerte das BfM die Ausreisefrist nicht. Auf den Antrag des Rechtsanwaltes, auf den Entscheid zurückzukommen oder zumindest eine rekursfähige Verfügung zu erstellen, ging das inzwischen zum Staatssekretariat für Migration (SEM) mutierte BfM nicht ein. Begründung: «Ist die Ausreisefrist abgelaufen, kann sie nicht mehr erstreckt werden. Ein erneutes Gesuch um Erstreckung der Ausreisefrist scheidet daher aus.» Wohlgemerkt: Der Entscheid traf am 30. Dezember bei Dabo ein. Das Gesuch um Verlängerung war bereits am 26. November fristgerecht gestellt worden. Der Anwalt wird ein Wiederwägungs-Gesuch stellen, weil nicht akzeptiert werden kann, dass Flüchtlingen auf diese Weise das Recht auf Beschwerde entzogen wird und sich das SEM einen Freiraum für seine selbstherrlichen Entscheide schafft.

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