6. Juni 2024 Amelie Schüle
Emilio Nasser bespielte im Frühjahr das Photoforum Pasquart in Biel/Bienne – und kreierte einen Ort, der einen kritischen Blick auf die Migrationspolitik ermöglichte.
«Shipwreck of Dreams» widmete sich intensiv den Themen Migration und Identität. Die Einzelausstellung von Emilio Nasser war vom 1. März bis zum 14. April im Photoforum Pasquart in Biel/Bienne zu sehen. Das Projekt ist von der Legende eines magischen Schiffs auf dem Genfersee inspiriert, das die Wünsche derjenigen erfüllt, die es erblicken. Nasser, ein politisch engagierter Fotograf mit Wurzeln in Argentinien und Spanien, setzte seine eigene Erfahrung des Exils ein, um Stereotypen rund um Migration herauszufordern.
In seiner künstlerischen Arbeit bietet Nasser Einblicke in das Leben von Migran- t:innen in der Schweiz und vermittelt eindringlich, wie universell das Bedürfnis nach einem Ort der Verständigung und Akzeptanz ist. Durch den Einsatz diverser Medien – von der Fotografie über Zeichnungen bis hin zu Video, Animation und Wandmalereien – schuf er ein vielschichtiges Narrativ. Symbole wie Wasser, Berge und Boote zogen sich durch das Projekt und verstärkten seine Botschaft.
«Shipwreck of Dreams» zeigte eindrücklich die Kraft der Kollaboration in Nassers Porträts, die in enger Zusammenarbeit mit den porträtierten Personen entstanden. In der Ausstellung verkörperten diese Bilder individuelle Geschichten, eingefangen in Schiffshüten – symbolträchtig für die persönlichen Reisen und Hoffnungen. Besonders deutlich wurde dies durch die Worte von Bah, einem Aktivisten der Autonomen Schule Zürich (ASZ): «Heimat ist dort, wo ich liebe und geliebt werde, wo ich meine Würde habe ... Es ist dort, wo ich keine Angst habe und wo ich glücklich bin.»
Nassers Herangehensweise, die Archivmaterial, Fotografien von realen Orten und assoziative Bilder und Zeichnungen in einer Rauminstallation vereinte, machte die Ausstellung zu einem Ort der Reflexion und assoziativen Spurensuche. Sein seit 2019 andauerndes Engagement an der ASZ, die als Symbol für Widerstand und Gemeinschaft steht, bereichert das Projekt mit persönlichen Verbindungen. Seine Bilder bringen nicht nur eine dokumentarische Realität zum Vorschein, sondern laden auch dazu ein, die Grenzen zwischen Erinnerung und Geschichte neu zu definieren. Sein kollaborativer Ansatz inspirierte die fotografierten Personen und Besucher: innen, eigene Vorstellungen von Migration zu überdenken und einen kritischen Blick auf die Migrationspolitik zu werfen.
Die begleitenden Workshops und Veranstaltungen verstärkten diesen Diskurs und zeigten eindrucksvoll, wie Kunst zur Verständigung beitragen und Menschen unterschiedlicher Herkunft verbinden kann. Als Kuratorin bin ich zutiefst bewegt von der verbindenden Kraft der Ausstellung und danke von Herzen allen, die zu diesem inspirierenden Austausch beigetragen und diese kulturelle Erfahrung mitgestaltet haben.
Amelie Schüle, Kuratorin und Kreativproduzentin, spezialisiert auf zeitgenössische Fotografie, ist die Direktorin des Photoforum Pasquart in Biel/Bienne.