7. Februar 2013 Schüler_innen der Kantonsschule Stadelhofen

«Heute lernte ich die Leute hinter dem Wort “Flüchtling” kennen»

Acht Flüchtlinge aus Eritrea, Irak, Iran, Kurdistan und Syrien besuchten eine 2. Klasse der Kantonsschule Stadelhofen in Zürich.

  Initiiert wurde der Besuch von der Geschichtslehrerin Susi Jenny und von Hanna Gerig, die beim Solidaritätsnetz Zürich Deutsch unterrichtet. Nach einer Vorstellungsrunde im Kreis setzten sich die Schüler_innen jeweils zu dritt mit einem Flüchtling an einen Tisch. Schnell lösten sie sich von ihren vorbereiteten Fragen. Es entwickelten sich vielmehr Gespräche, die von echtem Interesse zeugten. Die Asylsuchenden und Sans-Papiers erzählten von ihrem Leben in der Schweiz, von ihren Fluchtgründen und ihren Zukunftswünschen. Die Schüler_innen schrieben den Flüchtlingen noch am selben Tag Briefe. Hier einige Ausschnitte:

23.11.12

An unsere neu ­gewonnenen Freunde,

Ich habe mir nie viele Gedanken über Asylsuchende gemacht, und wenn - muss ich leider zugeben - eher negative. Dieser Besuch hat mir gezeigt, dass diese Menschen genauso sind wie wir.


Was man alles in der Zeitung liest, hat mich sehr verwirrt.


Wir leben in einer Glaskugel, in der alles perfekt zu sein scheint. Noch nie habe ich Menschen gehört, die mit Tränen in den Augen ihre eigene Biographie erzählen.


Wer ist schon freiwillig ganz allein in einem fremden Land mit anderer Sprache, Kultur und Religion, wo man nicht einmal [...] am Abend nach der Arbeit in eine Wohnung oder ein Haus gehen und sagen kann: Das ist mein Zuhause. Hier fühle ich mich sicher.


Heute lernte ich die Leute hinter dem Wort «Asylant» kennen.


Die Asylpolitik in der Schweiz muss dringend ein wenig überarbeitet werden.


Es geht nicht, dass ihr jahrelang auf eine Bewilligung warten müsst. Man kann sich so nicht integrieren und ihr könnt während dieser Zeit auch nicht arbeiten, was euch fehlt.


Mein Bild war vor allem durch die Medien extrem verfälscht. Ich dachte immer, Ausländer seien gewalttätig, würden Drogen dealen und Waffen besitzen. Dieses Bild wurde heute von Grund auf verändert.


Es mag kitschig klingen, aber dieser Tag wird meine Lebenseinstellung für immer verändert haben. Ich will etwas verändern, ich will helfen und alles tun, was in meiner Macht steht.


Wie (ich glaube) Brecht einmal gesagt hat: «Wir rufen keine Arbeitskräfte, sondern Menschen.» Wir dürfen nicht vergessen, dass Asylbewerber und Ausländer Menschen sind.


Es ist beklemmend, erschreckend und traurig, dass solche Dinge hier in der Schweiz geschehen.


In meiner Primarschulzeit gab es gerade nebenan ein Schulhaus, wo Asylanten im Keller hausten. Man konnte durch kleine Fensterchen beobachten, wie sie kochten. Ich war oft unsicher und ängstlich, wenn ich ihnen auf der Strasse begegnete. Ich grüsste sie nicht. Heute durfte ich das erste Mal mehr über das Leben der Asylbewerber erfahren. Die Fragen, die ich stellen durfte, halfen, einige Rätsel zu lösen.


Dank euch werde ich die Medien anders interpretieren.


Eure Geschichte gibt uns die Lust, etwas in ­diesem Land zu ändern.


Heute habe ich gesehen, dass diese Menschen wirklich Hilfe brauchen und dass sie ihnen zusteht.


Man fragt selten nach dem Grund für die Handlungen der Asylsuchenden.


Da ich Schweizerin bin, ist es schon erschreckend, dass mein eigenes Land andere Menschen so behandelt.


Niemand ist perfekt, auch die Schweizer nicht... Manchmal denke ich, dass man die Lage der Asylsuchenden nicht ernst nimmt – man sieht nicht, wie schlimm es ist.


Was ich schön finde, ist, dass die Menschen in den Asylheimen viel Sport machen, damit sie überhaupt etwas machen den ganzen Tag lang. Als wir auf den Sport zu sprechen kamen, ­haben alle gestrahlt.


Ich bin wirklich positiv von diesen Menschen, aber auch negativ von der Schweiz beeindruckt.


Asylsuchende werden meist von der ­Gesellschaft isoliert und werden so noch fremder.


Das Treffen mit den Asylbewerbern änderte nicht nur meinen Tag, sondern meine Sicht auf den Schweizer Staat. Am meisten berührte mich, wie alle trotz ­«allem» glücklich waren, in der Schweiz zu sein.

… wir wünschen euch alles Gute, die 2. Klasse der Kanti Stadelhofen!

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