5. Juli 2021 Kamran Mohammadi

Ich habe auch Glück gehabt

Kamran Mohammadi spielt auf seiner Oud

Bestimmt ein Mensch sein Schicksal selbst oder nicht? Und wie verhält sich dies bei Geflüchteten? – Kamran Mohammadis Geschichte erzählt davon, wie es in jeder Situation Chancen geben kann, die es zu packen gilt.

Von Athen bis Zürich flog ich mit dem Flugzeug, das war der einfachste Teil meiner Flucht. Vorher hatte ich viele Schwierigkeiten, ein paar Mal wäre ich fast gestorben. Doch mit meinem Aussehen war es mir möglich, die zwei, drei Stunden im Flugzeug fast normal zu reisen. Ich kam am 9. Februar 2014 in die Schweiz. Eigentlich wollte ich nach Norwegen weiter, das war mein Plan. Jemand sagte mir, ich solle in Zürich ein Ticket kaufen, um weiterzufliegen.

Dies klappte jedoch nicht. Ich wurde kontrolliert und festgenommen. Die erste Nacht in der Schweiz verbrachte ich im Gefängnis in der alten Kaserne, später erst erfuhr ich, wo das war. Sie brachten mich am anderen Tag an den Flughafen zurück und darauf blieb ich vierzig Tage im Transitbereich. Ich stellte da einen Asylantrag. In zwei Monaten sollte alles erledigt werden, mit Anhörung und – bei einem negativen Entscheid – auch mit Beschwerde und so. Bei mir dauerte es vierzig Tage.


Die erste Nacht in der Schweiz verbrachte ich im Gefängnis in der alten Kaserne, später erst erfuhr ich, wo das war.


Ich besitze die Briefe mit den Entscheiden noch, die ich damals bekommen habe. Darin steht gar nichts. Sie sagten zu mir: Ok. Die Asylgründe, die du genannt hast, sind in Ordnung. Aber wo sind deine Beweise? Wie kannst du glaubhaft machen, dass es dich betrifft? Nun stell dir vor: Du hast kein Handy, du hast keine Internetverbindung, null Kontakt mit der Aussenwelt – wie kannst du da irgendwelche Beweise liefern? Sie versperren alle Wege und verlangen zugleich, dass du etwas lieferst, damit sie einen positiven Asylentscheid gewähren können.

Leider konnte ich nichts machen und bekam sehr schnell zwei negative Entscheide. Sie verlangten, dass ich die Schweiz verlasse, was ich aber nicht tat. Darauf landete ich im Ausschaffungsgefängnis in Kloten, für drei Monate, hiess es. Dort hörte ich, dass Iraner*innen nicht ausgeschafft würden, da Iran nicht als sicheres Ausschaffungsland gelte. Nach drei Monaten wurde meine Haft verlängert, ich bekam nochmals drei Monate.

Im fünften Monat wurde ich ausgeschafft. Ein paar Polizeibeamte und eine Frau aus Bern, insgesamt sieben oder acht Leute, stiegen mit mir in ein Flugzeug. Zuerst flogen wir nach Kiew und dann nach Teheran. Ich kann bis heute nicht logisch erklären, warum diese Ausschaffung nicht geklappt hat. Sie hätte klappen müssen und es hätte für mich sehr schlimm ausgehen können. Doch im letzten Moment hatte ich einfach Glück.

Wir stiegen in Teheran aus dem Flugzeug, wir sprachen bereits mit iranischen Polizisten … Die Schweizer und Iraner verstanden einander nicht, ich musste übersetzen. Ich gebe zu, ich habe dabei Theater gespielt. So sprach ich sehr schlechtes Persisch, obwohl ich Persisch eigentlich besser spreche als meine kurdische Muttersprache Sorani. Ich übersetzte das Englisch der Schweizer in schlechtes Persisch.


Hätten die Polizisten gemerkt, wer ich bin, würde ich heute wohl nicht mehr leben.


Die iranischen Polizisten wollten wissen, warum ich in der Schweiz im Gefängnis war. Ich sagte, ich hätte nichts gemacht, keine Delikte begangen. Sie wollten wissen, was die Schweizer dazu sagten. Diese antworteten: Nein, er hat nichts verbrochen, er hatte bloss kein Visum, um in der Schweiz zu bleiben. Ich erzählte den iranischen Polizisten, dass man mich in der Schweiz monatelang eingesperrt hätte. Irgendwie erregte dies ihren nationalen Stolz, sie dachten wohl: Ah, so schlecht wird in der Schweiz ein Iraner behandelt? Das lassen wir nicht auf uns sitzen! Sie sagten zu mir auf Persisch: Pst. Wir schicken dich mit ihnen zurück. Du musst aber in der Schweiz deine Rechte verteidigen! Ich sagte, ja, danke. Ich gehe gern zurück. – Sie hatten viel zu tun und ausserdem lief ein wichtiges Fussballspiel im Fernsehen, das sie sehen wollten. Sie waren abgelenkt und prüften nicht einmal meine Identität. Das war mein grösstes Glück! Hätten sie gemerkt, wer ich bin, würde ich heute wohl nicht mehr leben. Doch so sassen wir kurz darauf im Flugzeug zurück in die Schweiz. Die Schweizer regten sich furchtbar auf, doch sie konnten es nicht ändern.
 

So kam ich wieder in die Schweiz, jedoch erneut ins Gefängnis. Sie wollten es später nochmals versuchen mit der Ausschaffung. Obwohl ich wusste, dass ich kaum eine Chance hätte, machte ich darauf eine rechtliche Beschwerde. Ich bat dafür einen Sozialarbeiter und einen Praktikanten im Gefängnis um Hilfe. Doch danach gingen sie mir nur noch aus dem Weg.

Schliesslich half mir eine Besucherin, die wegen eines Mitgefangenen von mir herkam. Als ich die Beschwerde einreichte, versuchte die Polizei herauszufinden, wer sie für mich geschrieben hatte. Ich rechnete mir keinen Erfolg aus, doch es war eine sehr freundliche Richterin, die meine Beschwerde behandelte. Sie sagte: Ok, die Iraner sind schuld, dass du nicht im Iran bist. Du hast nichts Böses gemacht, weder im Flugzeug noch sonstwo, und du warst auch kooperativ. Deshalb musst du freigelassen werden! Selbst mein Anwalt staunte. Er sagte, er habe schon viel erlebt, doch so etwas sei noch nie passiert.


ES GIBT TAUSEND WEGE,
EIN ZIEL ZU ERREICHEN.


So wurde ich aus dem Gefängnis entlassen und bekam ein Bett im Asyl-Zentrum in Embrach und acht Franken am Tag, um zu leben – so wie es eben ist als Sans-Papiers. Trotzdem war ich sehr motiviert. Ich sah im Zentrum viele Leute, die unmotiviert, richtig zerstört waren. Sie wollten überhaupt nichts machen. Ich sah sie und dachte, ok, ich mache alles, was diese Leute nicht machen. Es tut mir leid, wenn ich das sage – aber auf diese Weise habe ich mich motiviert. Ich hatte Ziele vor Augen. Ich wollte mir eine Zukunft in der Schweiz aufbauen und hoffte auch, meine Familie, meine Eltern wiederzusehen. Diese Pläne ermutigten mich, und ich war wirklich immer sehr fleissig und sehr zielstrebig.

Ich hatte auch Glück. Erstens war ich im Kanton Zürich und zweitens gab es diesen Ort, die Autonome Schule. Mit acht Franken kann man eigentlich nichts machen, nicht einmal genug essen. Doch ich investierte mehr als die Hälfte davon, um mehrmals in der Woche Tickets nach Zürich zu kaufen und die Kurse an der ASZ zu besuchen. Ich lernte ziemlich schnell Deutsch. Ausserdem begann ich meine Papiere und Beweismittel zu sammeln. Mein Anwalt wollte für mich einen zweiten Asylantrag beim SEM stellen. Ich besass jedoch nicht genug Geld, der Antrag kostete etwa 1500 Franken. Also begann ich im Zentrum, wo ich wohnte, zu putzen und beim Aufräumen zu helfen. Dafür bekam ich manchmal zusätzlich sieben Franken pro Tag.

Ausschlaggebend war zudem, dass ich Musiker bin. Ab und zu konnte ich irgendwo auftreten. Im Lauf von zwei Jahren sparte ich genug Geld zusammen, damit mein Anwalt den neuen Antrag einreichen konnte. Es geschah eben noch rechtzeitig. Ich lebte damals in der Notunterkunft in Kloten. Als ich plante, an einem Donnerstag wegen des Antrags zu meinem Anwalt zu gehen, kam am Montag davor die Polizei ins Zentrum, um mich festzunehmen. Mir war klar, was folgen würde. Als sie mich riefen, wollte ich kooperieren, doch ein Freund von mir sagte: Nein, Kamran, geh nicht zu ihnen raus. Dann bin ich durchs Fenster geflüchtet.

Ich blieb ein paar Wochen bei einem guten Freund. Dieser Freund wusste, was Sache war und welches Risiko er selber einging, wenn er mir half. Doch er liess mich bei sich wohnen, bis mein Anwalt den Antrag eingereicht hatte und ich in Sicherheit war. Wenigstens für den Moment, wie mein Anwalt sagte. Bis zum Entscheid könne man mich jetzt nicht ausschaffen.

Das war aber nicht das Ende des Liedes. Am selben Tag, an dem ich mich endlich ein wenig sicher fühlen konnte, erfuhr ich, dass meine Mutter ins Spital gebracht worden war. Eine Woche später starb sie. Wenn ich mich zurückerinnere – ich konnte mich danach lange nur knapp über Wasser halten. Ich hatte nicht so viele Freund*innen. Zum Glück war ich damals an der Autonomen Schule aktiv. Irgendwie hielt ich diese schwierige Zeit aus und ich blieb weiter aktiv, sowohl an der ASZ als auch politisch.

Ich bekam meine Beweismittel von Kurdistan und hielt mein erstes eigenes Konzert. Das hat mich motiviert. Ich merkte, ich kann das, und ich schaffe das auch allein. Es ist gut, wenn dir andere helfen, aber du musst nicht warten, dass andere etwas für dich machen. Ich fing an, mich selber zu organisieren, hier ein Auftritt und einer dort. Das war richtig gut. Und all diese Tätigkeiten waren auch Beweismittel für meine politische Weltanschauung, die mein Leben in Gefahr gebracht hatte. Durch meine Aktivitäten schloss ich viele Bekanntschaften in der Schweiz. Ausserdem konnte ich zeigen, wer Kamran ist und was Kamran will. Es ist wichtig, anderen zu zeigen, wofür man steht. So blieb ich weiterhin motiviert, lernte weiterhin Deutsch.

Im Sommer 2015 starb also meine Mutter. Der folgende Herbst und der Winter waren wirklich schwierig für mich. Ich leide ohnehin an Herbstdepressionen. Durch jemanden von der Autonomen Schule lernte ich in dieser Zeit die Wohngemeinschaft kennen, in der ich heute noch wohne. Sie wussten, dass ich keine Aufenthaltsbewilligung habe und keine Miete bezahlen kann – und gaben mir trotzdem ein Zimmer. Es ist gar nicht übertrieben, wenn ich sage, dass sie mein Leben gerettet haben. Im Februar 2016 konnte ich einziehen, und danach begannen langsam, langsam bessere Zeiten für mich.

Im Frühling darauf fühlte ich mich besser, im Frühling geht es mir immer gut. Und im Sommer 2016 trat Safoura in mein Leben. Dies war der nächste wichtige Wendepunkt. Safoura stammt aus derselben Stadt wie ich, doch kennengelernt haben wir uns erst in der Schweiz. Über Facebook. Facebook hat auch gute Seiten! Also, ich machte ihr da den Hof. Und es hat geklappt. – Meine Freundin Safoura ist einfach toll. Sie ist ein so motivierter und positiver Mensch und unglaublich aktiv. Ich habe vorher noch nie jemanden wie Safoura getroffen. Sie schätzt mich einfach, wie ich bin, sie liebt mich. Ich sah, wie stark diese Frau ist und wie viele Schwierigkeiten sie in ihrem Leben gemeistert hat. Ich bewunderte ihre Strategie, auch in schlechten Momenten gut gelaunt und gesellig zu sein. Safoura brachte Licht in mein Leben.

Dann, im Herbst 2016, genau: am 17. November 2016 erhielt ich den positiven Asylentscheid. Wie ich den Brief nun in den Händen hielt, konnte ich ihn gar nicht richtig geniessen, denn am selben Tag erhielt ich Nachricht aus meiner Heimat: Mein Vater war gestorben. – Das waren nun so widersprüchliche Gefühle! Ich wusste gar nicht, was ich machen sollte. Aber Safoura war dabei und auch meine netten Mitbewohner*innen. Das war sehr wichtig.

Danach erhielt ich Unterstützung, ein Deutschkurs wurde finanziert. Dank der Autonomen Schule und weil ich selbst so fleissig gewesen war, konnte ich auf dem Niveau B2 beginnen. Ich hatte trotz des langen Wartens nicht viel Zeit verloren! Ich entschied mich relativ schnell, zu meinem gelernten Beruf zurückzukehren und wieder Bauingenieur zu studieren oder jedenfalls in diesem Bereich zu arbeiten. Es dauerte jedoch zwei weitere Jahre, bis ich die Voraussetzungen der ZHAW für dieses Studium erfüllte. Sie verlangten C1 und noch vieles mehr. 2019 wurde ich aufgenommen.

Erst danach erfuhr ich, dass ich aus bestimmten physischen Gründen nicht auf einer Baustelle würde arbeiten können. Ich musste also auf diese Ausbildung verzichten. Was jetzt? Sie hätten mir das wirklich früher sagen können. Obwohl ich sieben oder acht Jahre im Baubereich Erfahrung hatte, in meiner Heimat mit meiner eigenen Firma selber Bauprojekte ausführte, verlangten sie mindestens ein sechsmonatiges Vorpraktikum von mir. Und die C1-Sprachprüfung war ebenfalls eine grosse Hürde. Und als es endlich klappte, erfuhr ich, dass ich in diesem Beruf gar keine Zukunft hatte.

Ich stand da und wusste nicht, wohin. Doch ich besitze seit je einen inneren Antrieb und Energie. Ich trauerte nur einen einzigen Tag um diese verpasste Möglichkeit. Dann machte ich neue Pläne. Eine Woche später lud mich meine Beraterin von der Asylorganisation Zürich zu einem Gespräch ein. Ich bin mit Plänen zu ihr gekommen, was ich machen könnte: A), B), C). Sie war wirklich überrascht. Sie sagte, sie habe einen gebrochenen Klienten erwartet, den sie motivieren müsse.

Ich dachte daran, Recht zu studieren, Sozialarbeit oder Psychologie. Mich interessierte auch der Gesundheitsbereich. Ich machte Schnupperwochen an verschiedenen Orten, in einem Entzugszentrum, in einem Altersheim, ich recherchierte viel und legte dann eine Aufnahmeprüfung für Physiotherapie ab. Vier, fünf Monate habe ich mich auf diese Prüfung vorbereitet. Leider hat es nicht gereicht. Allerdings nur ganz knapp nicht, obwohl die Konkurrenz sehr gross war. Es legten vier bis fünf Mal mehr Personen diese Prüfung ab, als sie aufnehmen konnten.

Was mich bis dahin davon abgehalten hatte, Sozialarbeit zu studieren, war die Voraussetzung eines C2-Sprachdiploms. Dies war wirklich eine riesige Hürde! Nach dem knappen Misserfolg mit der Physiotherapie sagte ich mir, ich springe ins kalte Wasser, und begann mit einem C2-Kurs. Am Ende war es doch nicht so schwer, wie gedacht. Schon sehr schwierig, aber nicht unmöglich. Ich meldete mich gleich bei vier Hochschulen an, denn ich wollte kein Risiko eingehen, ich wollte unbedingt anfangen zu studieren. Am Ende hätte ich überall studieren können, doch ich entschied mich für die HSLU und glaube, das war eine gute Entscheidung.

Im Sommer 2020 fing ich mit dem Studium an. Ich finde es sehr interessant. Aber auch streng. Ich dachte ja, das schaffe ich mit dem kleinen Finger. So ist es wirklich nicht. Wenn ich zum Beispiel eine Arbeit schreiben muss, schiebe ich das vor mir her und fange nicht an. Doch in meinem Kopf dreht sich alles um diese Aufgabe. Vielleicht ist das mein Charakter, ich mache aus Mücken gern Elefanten. Doch das Studium gefällt mir und ich habe viele gute Leute kennengelernt.

Was mir in meinem ersten Studienjahr sehr geholfen hat: Ich glaube, ich bin offen für Neues. Ich denke auch, es ist sehr wichtig, dass man die Dinge nicht nur schwarz und weiss oder schlecht und gut sieht. Besser ist einzusehen, dass es verschiedene Arten gibt, wie etwas gemacht werden kann. Die Möglichkeiten sind vielfältig. – Bei uns, wo ich herkomme, war das nicht so. Es gab immer nur zwei Seiten: gut oder schlecht, richtig oder falsch. Solche Denkmuster aus deinem Kopf zu werfen, ist nicht so einfach. Ich muss immer kämpfen und mir sagen: Kamran, es gibt tausende Wege, ein Ziel zu erreichen. Du machst es so, ein anderer macht es anders. Theoretisch ist das einfach. Doch in der Praxis ist es nicht leicht.


Es ist wichtig, dass man die Dinge nicht nur schwarz und weiss oder schlecht und gut sieht. Besser ist einzusehen, dass es verschiedene Arten gibt, wie etwas gemacht werden kann.


Ich verstehe jeden, der hierhergekommen ist und sagt, es geht mir schlecht, ich habe keine Aufenthaltsbewilligung, man behandelt mich schlecht. Es stimmt, man wird schlecht behandelt. Doch ich glaube, ich kann für mein Leben einstehen. Manche sagen, ein Mensch trägt selbst die ganze Verantwortung für sein Schicksal. Andere widersprechen: Nein, das System ist verantwortlich. Ich glaube, beides stimmt zum Teil. Man muss einen Menschen immer in seinem Kontext sehen. Man muss alle Faktoren in Betracht ziehen.

Ich wollte beweisen, dass ich in meinem Leben auch mitbestimme. Während meiner Zeit in der Illegalität konnte ich mich nicht richtig ernähren, doch ich habe Deutsch gelernt. Ich begann mich gesellschaftlich zu engagieren. Ich wollte nicht immer nur meckern. Obwohl ich die Menschen verstehe, die in einer Notunterkunft leben. Sie haben völlig recht, wenn sie sich beklagen. Doch um aus dieser Situation herauszukommen, muss man seine letzte Kraft aufbieten. Sonst klappt es nicht. Sonst ändert sich nichts. Du kannst immer noch versuchen, das Bestmögliche daraus zu machen.

Ich war überzeugt, dass ich einen grossen Teil meines Lebens selber bestimmen kann, und das habe ich gemacht. Doch ich hatte auch Glück. Andere hatten dieses Glück nicht. In meiner Zelle im Gefängnis gab es noch eine andere Person aus Iran. Er wurde nach mir ausgeschafft und kam nicht wieder zurück in die Schweiz. Es gab in meinem Leben so besondere Momente der Chancen – und ich habe diese Chancen genutzt. Ich denke, ich habe meine Fähigkeiten und Talente und auch meine Chancen nicht verkümmern lassen. Wenn ich in einem anderen Kanton gelandet wäre, in St. Gallen oder Uri oder Schwyz, vielleicht wäre alles anders geworden, vielleicht wäre ich ausgeschafft worden.

Damals in Teheran auf dem Flughafen traf ich die nettesten iranischen Polizisten aller Zeiten. Ich hatte damals seit langem keine freundliche Handlung mehr erlebt. Ich war emotional so stark ergriffen, ich musste einen von denen einfach umarmen. Ich brauchte es. Obwohl ich wusste, dass sie auch Schweine sein können. Doch zu mir waren sie einfach so nett. Es war unglaublich. Andere hatten nie eine solche Chance. Dieser Moment in meinem Leben hat für mich alles entschieden, alles geändert.

Kamran hat im vergangenen Jahr ein Album mit selbstkomponierten Liedern aufgenommen. Ein Freund hat sie für ein Orchester arrangiert, sie wurden professionell aufgenommen. Der Stil wechselt zwischen orientalisch-europäischer Klassik und orientalischem Rock. Für den Sommer sind Plattentaufen in Zürich, Köln und Paris geplant.

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