1. Mai 2012 Nadja

In der Nothilfe seit fünf Jahren

Ich bin nicht immer deprimiert, aber oft, und manchmal verzweifelt darüber, was ich hier in der Schweiz erlebe. Ich werde diskriminiert, umher geschoben, bevormundet, vertröstet auf später. Seit 5 Jahren bin ich in der Schweiz und seit mehr als 4 Jahren in einem Nothilfezentrum im Kanton Zürich.

Das Leben im Nothilfezentrum mit zwei Kindern

Das Leben in der Nothilfe mit zwei Kindern ist sehr schwierig. Wir leben alle drei in einem Zimmer, das so klein ist, dass die Kinder keinen Platz zum Spielen finden. Es gibt im Zentrum oft Streit, Messer und Drogen gehören dazu. Die Toiletten und Duschen sind ausserhalb des Zimmers, die Kinder erkälten sich regelmässig, wenn sie bei kalten Temperaturen dorthin gehen müssen. Einmal fand ich meinen Sohn auf der Toilette, er rauchte eine Zigarette, die ihm jemand in den Mund gesteckt hatte. Er geht heute an die Heilpädagogische Schule, es gefällt ihm gut dort und ich bin froh, dass er Unterstützung bekommt und nicht den ganzen Tag in diesem trostlosen Zentrum sein muss. Die Türen zum Zimmer müssen immer geschlossen werden, wenn du es vergisst, sind deine Sachen weg, denn es wird gestohlen hier. Das schlimmste Erlebnis hier war, als meine Tochter kochendes Wasser über ihr Gesicht leerte. In der Küche sind Kinder nicht erlaubt und im Zimmer kann ich nicht kochen. Wenn ich koche, muss ich die Kinder jemand anderem geben oder alleine lassen. So ist das passiert. Ich weiss nicht wie sie an den Teekocher herankam. Im Sommer war es dann sehr heiss und mit dem verletzten Gesicht litt sie sehr. Ich verlangte einen Ventilator, man gab mir keinen. Ich wurde fast wahnsinnig.

Schikanen, Bevormundung, Papiere

Der Vater meiner Tochter lebt in Genf. Wir sind kein Paar, aber der Vater hat die Tochter anerkannt und das Kind hat den Schweizer Pass bekommen. Der Vater hat oft Kontakt zum Kind, er liebt es und unterstützt es auch finanziell. Die Jugend- und Familienberatung wurde beauftragt, die Beziehung zwischen Vater und Kind zu beobachten und festzulegen, wie die Begegnungen ablaufen sollen. Dem Vater wird vorgeschrieben, regelmässig mit der Tochter auf Skype zu telefonieren. Dafür musste er uns extra einen Computer anschaffen und Internet. Das ist Bevormundung. Die Behörden sagen, der Vater habe das Kind zu spät anerkannt, aber das ist, weil sie Papiere von uns verlangten, die wir nicht hatten. Der Vater musste ins Heimatland reisen und neue Identitätspapiere für die Mutter besorgen. Und das, obwohl ich von Anfang an die Papiere bei mir hatte. Eine weitere Hürde, um uns zu schikanieren. Der Vater fragte, ob wir nach Genf ziehen könnten, damit das Kind näher bei ihm ist. Man sagte ihm: «Sie haben kein Recht, so etwas zu fragen».


«Im Ausland macht man Entwicklungshilfe und unterstützt Kinder in Not, hier in der Schweiz vergisst man dieselben Kinder und lässt sie im Stich.»


Rassismus

Es gibt viele Dinge, die ich nicht verstehe. In meinem Fall wurde seit mehr als 4 Jahren nicht entschieden und, obwohl sogar Beamte und Politiker den Kopf schütteln, ändert sich nichts. Man sagt mir, ich müsse das Land verlassen und zwar mit den beiden Kindern, egal wird das Kind dann von seinem Vater getrennt. Auf der Rechtsberatung sagt man mir, laut Gesetz müssen die Eltern einen Pass bekommen, wenn das Kind den Pass hat oder umgekehrt, denn seit 2008 dürfen keine Familien mehr getrennt und ein Teil der Familie ausgeschafft werden. Ich bin sicher, einer der Gründe, warum ich kein Asyl bekomme, ist der, dass der Vater meiner Tochter, obwohl er den Schweizer Pass besitzt, eine afrikanische Herkunft und die falsche Hautfarbe hat. Das ist Diskriminierung und Rassismus. Der Rassismus ist im Gesetz verankert, oder man spürt ihn in Alltagssituationen.Wenn ich im Zug sitze und meine Kinder lärm machen, dann werden wir böse angeschaut, wenn das weisse Kind im gleichen Abteil lärm macht, dann schaut niemand hin.

Kein Respekt vor dem Leben

Das Schweizer Gesetz hat keinen Respekt vor dem Leben. Zwar ist man in der Schweiz stolz auf seine humanitäre Tradition, gelebt wird sie aber nur als Etikette und nicht in der Realität. Im Ausland macht man Entwicklungshilfe und unterstützt Kinder in Not, hier in der Schweiz vergisst man dieselben Kinder und lässt sie im Stich. Ich kann nicht zurück in mein Land. Als alleinstehende Mutter mit zwei Kindern habe ich dort keine Chance, ich finde keine Arbeit und werde verstossen. Ich will das Kind nicht vom Vater trennen. Für die Schweiz sind das keine Gründe hier zu sein. Mein Asylgesuch wurde zum zweiten Mal abgelehnt mit der Begründung, dass meine Tochter zu dem Zeitpunkt zur Welt kam, als ich die Schweiz verlassen musste. Ein Kind sei sozusagen meine letzte Möglichkeit gewesen hierzubleiben und ich wäre deswegen schwanger geworden. Das ist eine Demütigung und eine üble Unterstellung.

Name der Autorin geändert, 2 Kinder (3 und 5 Jahre), aus einem afrikanischen Land

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