29. Juni 2022 Schulbüro der ASZ

Kreativität und Strapazen

Ein normaler Tag im Schulbüro der ASZ. Bild: Emilio Nasser

Die Pandemie war ein grosser Einschnitt für den Schulbetrieb der ASZ.

Als wir im Schulbüro mit den Moderierenden zum ersten Mal über das Coronavirus diskutierten, war die Rede von Desinfektionsmittel und Abstand-Einhalten. Das war am 8. März 2020. Einen Tag später entschied die Vollversammlung (AG VV), dass die Schule vorläufig offenbleiben soll. Doch bereits eine Woche später, am 16. März, beschlossen wir, die Schule für eine Woche zu schliessen. Dann folgte der vom Bundesrat beschlossene Lockdown. Wir machten uns damals grosse Sorgen um die Menschen, die aufgrund des Lockdowns isoliert wurden. Denn für viele war die ASZ ein wichtiger Treffpunkt und ein Mittel gegen die Isolation.

Menschen, die montags, mittwochs und freitags an der Schule eine Mahlzeit erhielten, waren plötzlich auf sich allein gestellt, denn auch alle anderen Angebote wurden eingestellt. Ein junger Aktivist erkannte die Tragweite der Schliessung und organisierte die Verteilung von Lebensmitteln. Das Projekt «Essen für Alle» wurde ins Leben gerufen.

In dieser Zeit arbeiteten wir meist von zu Hause aus. Ende März begann die Organisation der Online-Kurse – nur hatten wir keine Kontaktdaten der Kursteilnehmenden. Wir lösten das so, dass sich die Teilnehmenden über die Webseite anmelden konnten. Das Schulbüro erfasste die Kontaktdaten und leitete sie an die Moderierenden weiter. Bis dahin hatte die ASZ noch nie Teilnehmenden-Daten erhoben.

Dieses Novum bereitete uns wegen unserer politischen Prinzipien Kopfzerbrechen. Wir erreichten nur einen kleinen Teil der Teilnehmenden; einerseits wegen der fehlenden Kontaktdaten, andererseits, weil viele unserer Kursteilnehmenden keinen Computer oder kein gutes Handy besitzen und nur eingeschränkten Zugang zum Internet haben.

Gleichzeitig fingen wir an, die Räume für die Wiedereröffnung einzurichten, aufzuräumen und eine Retraite zu organisieren. Wir wollten uns genau überlegen, wie wir die Kurse pandemiegerecht gestalten und die ganze Schule wiedereröffnen könnten. Mitte Juni trafen wir uns dafür im Kulturhaus Dynamo. Es tat so gut, sich wiederzusehen, sich auszutauschen, zu diskutieren und die Kraft zu spüren, die wir als Aktivist*innen zusammen haben. Wir entschlossen uns, den Schulbetrieb ab dem 29. Juni 2020 wiederaufzunehmen – ohne Sommerferien, mit Präsenzunterricht. Um die Abstandsregeln einhalten zu können, reduzierten wir den Kursbetrieb um 40 Prozent.


Wir erreichten nur einen kleinen Teil der Teilnehmenden; einerseits wegen der fehlenden Kontaktdaten, andererseits, weil viele unserer Kursteilnehmenden keinen Computer oder kein gutes Handy besitzen.


Die grossen Anfänger*innenklassen konnten im Konzertsaal des Dynamo stattfinden. Wir mussten Präsenzlisten führen, die wir 14 Tage lang aufbewahren mussten – so die Vorschrift. Auch das war ein Novum! Wir zerbrachen uns ein weiteres Mal die Köpfe über den Datenschutz und den Schutz der Teilnehmenden. Und wir erfassten weitere Kontaktdaten auf freiwilliger Basis, um die Teilnehmenden kontaktieren zu können.

Das Herzstück der Schule, das Café, als Treffpunkt wieder öffnen zu können, war uns ein grosses Anliegen. Mit den Schutzvorgaben war das aber undenkbar. Doch wir wurden bei diesem Anliegen solidarisch von der Raumbörse, der Photobastei, der ZHdK und allen weiteren Mietparteien am Sihlquai 125 und vor allem von der Organisation «Architecture for Refugees Schweiz» unterstützt. So wurde das Hofcafé gebaut: ein kleiner Pavillon, ein Sonnen- und Regendach – und unser Treffpunkt war wieder da.

Bei der Eröffnungsfeier trafen wir uns zum Austausch und zum gemeinsamen Tanzen und freuten uns unbändig, dass wir wieder gemeinsam wirken konnten. Wir erlebten einen ruhigen Sommer und Herbst. Leider kam dann der zweite Lockdown im Oktober 2020. Der Präsenzunterricht musste bis zum 3. Mai 2021 eingestellt werden. Mit Ausnahme der Alphabetisierungsklasse, die im Präsenzunterricht weitergeführt werden konnte, wurden alle Kurse online angeboten. Für die zweite Wiedereröffnung entwickelten wir ein Gesundheitskonzept und führten Klassen-Ausweise ein.  

Ab Januar 2022 mussten die Teilnehmenden aufgrund der neuen Bestimmungen des BAG für den Besuch der Kurse ein Covid-Zertifikat haben. Das war für uns eine schmerzliche Massnahme. Wir mussten Kursteilnehmende abweisen, beziehungsweise sie auffordern, sich testen zu lassen. Frauen mit Kindern sind während der Pandemie kaum in die Schule gekommen. Sie waren sicherlich um die Gesundheit ihrer Kinder besorgt.

Die meisten Moderierenden hatten eine klare Haltung gegenüber der Impfung. Sie informierten oder begleiteten Menschen zu den Impfzentren. Wir merkten aber, dass sich viele nicht impfen lassen wollten, vor allem abgewiesene Asylsuchende und Sans-Papiers. Viele von ihnen erzählten, dass sie Angst haben, ausgeschafft zu werden, wenn sie sich impfen lassen. Sich nicht impfen zu lassen, erschien als Schutzstrategie. Bedauerlicherweise wurden somit Lernwillige aufgrund ihrer persönlichen Entscheidung von den Sprachkursen ausgeschlossen.

Jetzt im Frühling 2022 spüren wir endlich eine Rückkehr zur Normalität. Masken- und Zertifikatspflicht sind passé. Wir sehen wieder Menschen mit einem Lächeln auf dem Gesicht, die sich freuen, wieder lernen zu können und andere zu treffen.

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