6. November 2016 Martina Läubli

«Seid ihr Diebe?»

Rassistisch motivierte Polizeikontrollen sind eine Demütigung für die Betroffenen. Doch Racial Profiling ist nicht nur ein Problem der Polizei. Was kann man dagegen tun? 

Viele Menschen in der Schweiz bemerken es nicht oder übersehen es gerne. Doch wer selbst betroffen ist, weiss ganz genau: Racial Profiling existiert. Die Polizei kontrolliert Personen aufgrund rassistischer Kriterien – ohne konkreten Verdacht, sondern allein deshalb, weil die Person so oder so aussieht; weil sie dunkle Haare oder Haut hat, dieses oder jenes Kleidungsstück trägt. 

«Mach deinen Mund auf!», befiehlt die Polizei im Zug. 
«Wo sind Ihre Drogen?», fragt die Polizei am Bahnhof Winterthur. 
«Seid ihr Diebe?», fragt die Polizei bei einer Kontrolle.

Diese und weitere Situationen schildern die Teilnehmenden am Podium über Racial Profiling am 2. November an der ASZ. Sie erleben es am eigenen Leib, von der Polizei angehalten zu werden, immer wieder. Diese Fragen, die Kontrollen und das teilweise respektlose Verhalten der Beamten verletzen. Es ist eine Demütigung, stets für verdächtig gehalten zu werden. Betroffene spüren dahinter die unausgesprochene vorwurfsvolle Frage: Was machst du eigentlich hier? Hast du denn das Recht, in der Schweiz zu sein? Dazu kommt die Angst vor weiteren Kontrollen, besonders wenn der eigene Aufenthaltsstatus ungeklärt ist. Die Polizei ist kein Symbol der Sicherheit mehr.

Von Seiten der Polizei wird systematische rassistische Kontrolle dementiert. Fragen Betroffene, warum sie kontrolliert werden, bekommen sie die Erklärung „Routinekontrolle“ zu hören. Doch das Problem liegt nicht allein bei der Polizei, das wird in der Podiumsdiskussion klar. Racial Profiling ist Ausdruck eines strukturellen, der Gesellschaft inhärenten Rassismus. Fremde gelten sozusagen «automatisch» als verdächtig. Diese Wahrnehmungsmuster beginnen im Alltag; zum Beispiel, wenn eine Frau ihrer ausländischen Nachbarin unterstellt, sie hätte den Wäschekorb gestohlen, wie es eine Podiumsteilnehmerin erfahren hat. Dies bedeutet, dass sich alle Bewohner*innen der Schweiz hinterfragen müssen. Rassismus betrifft nicht nur die anderen; sondern vielleicht auch einem selbst, ohne dass man sich dessen bewusst ist. Oder, wie ein Podiumsteilnehmer sagt: «Wir müssen uns fragen, ob wir mit unseren vorgefassten Meinungen Recht haben. »

Und nun zum wichtigsten Punkt:

Was können wir gegen Racial Profiling tun?

Hier ist eine noch zu vervollständigende Sammlung.

Kontrollierte Person

  • die Namenskarte des Polizisten verlangen; Name und Dienstnummer aufschreiben; allenfalls die Nummer des Polizeiautos aufschreiben
  • den Polizist*innen in die Augen blicken
  • kommunizieren
  • sich kooperativ und gewaltfrei verhalten
  • nichts unterschreiben, das man nicht versteht
  • nach dem Grund für die Kontrolle fragen
  • die Polizeikontrolle melden, in Zürich z.B. bei der Ombudsstelle (die Aussage der Polizei, es handle sich bei rassistischen Kontrollen um Einzelfälle, muss widerlegt werden)
  • den oder die betreffende Polizistin wegen Amtsmissbrauch anzeigen
  • Falls es bei der Polizei eine interne Kontakt- und Vertrauensperson gibt, die Vorfälle bei dieser melden
  • Wichtig: Wer sich weigert, sich auszuweisen, muss mit einer Busse wegen Nichtbefolgung polizeilicher Anweisungen rechnen. Jede*r sollte selbst entscheiden, ob er oder sie sich ausweisen möchte.

Andere anwesende Personen

  • Zur Kontrolle hinzukommen; zeigen, dass man die Situation beobachtet, Hinschauen statt Wegschauen.
  • Mit den Polizist*innen sprechen, nachfragen.
  • sich kooperativ und gewaltfrei verhalten
  • Wenn man „schweizerisch“ aussieht und dem Racial-Profiling-Schema nicht entspricht: Darauf bestehen, dass die Polizei einem ebenfalls kontrolliert. Das verändert die Situation. 
  • Allen Anwesenden ein Bonbon, Kaugummi o.ä. anbieten, um die Situation zu entspannen
  •  Zugehörigkeit zu den kontrollierten Personen demonstrieren
  •  Falls es bei der Polizei eine interne Kontakt- und Vertrauensperson gibt, die Vorfälle bei dieser melden
  • Sich als Zeuge*in zur Verfügung stellen
  • NICHT FILMEN – in diesem Fall kann die Polizei das Handy oder die Kamera als Beweismittel konfiszieren. 

Die Polizei

  • Eine Personenkontrolle quittieren. Auf der Quittung den Grund für die Kontrolle angeben. Die kontrollierte Person kann die Quittung wieder vorweisen. In London existiert seit 10 Jahren ein Quittungssystem. 
  • Sich der angewandten Such- und Verdachtsraster bewusst werden
  • Weniger kontrollieren

Alle

  • Mut entwickeln
  • Hinschauen statt Wegschauen

***

AKTUELL

Mohamed Wa Baile hat sich bei der x-ten Polizeikontrolle geweigert, seinen Ausweis vorzuzeigen und hat den Beamt*innen mitgeteilt, dass er die Kontrolle als Racial Profiling empfinde. Am 6. November hat das Bezirksgericht Zürich in einem öffentlichen Verfahren über den Racial-Profiling-Fall entschieden. Mohamed Wa Baile wurde juristisch abgewiesen. Er musste erfahren: Auch wenn die Personenkontrolle nicht gerechtfertigt ist, muss die kontrollierte Person den Anweisungen der Polizei Folge leisten und ihren Ausweis zeigen.

Mohamed Wa Baile hat in der Papierlosen Zeitung über seine Erfahrung mit Racial Profiling berichtet.

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