4. August 2020 Emilio Nasser

The Magic Phantom Ship

Ein fotografisches Projekt

Ich bin kürzlich in die Schweiz gezogen. Wie viele andere Leute. Wir kommen von unterschiedlichen Orten und aus unterschiedlichen Verhältnissen. Immer ankommend, immer aufbrechend. Doch mit der Illusion, dass es möglich ist, einen Ort zu finden, den wir Zuhause nennen können.

Wir alle sind auf unterschiedlichen Wegen an die Autonome Schule gekommen. Doch fast alle von uns mit denselben Fragen, Zweifeln und Wünschen. Wir fanden hier ein freies, unabhängiges und selbstorganisiertes Bildungsprojekt, um in der Stadt Zürich Deutsch und anderes zu lernen. Einen einzigartigen Ort, wo wir lernen und verlernen können, gemeinsam und ohne Vorurteile. Einen freien, antirassistischen und gerechten Raum.

Seit ich diese Schule kenne und angefangen habe, in die Kurse zu gehen und in der Gruppe «Café für alle» mitzuarbeiten, denke ich darüber nach, dieses unglaubliche Bildungsprojekt sichtbarer zu machen. Die Schule ist ein aktiver politischer Raum des Kampfes und des Widerstands, verbunden mit lokalen und weltweiten Anliegen.

Als Fotograf interessieren mich die Themen Erinnerung, Identität, Mythen, Legenden und Territorien. Daran arbeite ich. Sie werden begleitet von anderen Worten wie Wahrheit, Fiktion, Informationsgeschwindigkeit, Bildung, Bewegungsfreiheit. Ein kritisches Auge auf Bilder und Vorstellungen und die Politik aller Dinge um uns herum. All diese Themen und Geschichten stehen miteinander in Verbindung, in dieser hypervernetzten Welt heute mehr denn je.

Ich habe viel darüber nachgedacht, wie von diesen Dingen gesprochen werden kann. Ich habe viele Fragen gefunden und auch ein paar Antworten. Ich entschloss mich zu einem photographischen Projekt, das ich «The Magic Phantom Ship» (das magische Geisterschiff) nenne. Das Projekt findet in der ASZ statt. An seiner Verwirklichung wird die ASZ-Gemeinschaft den wichtigsten Anteil haben.


In Genf fand ich eine Legende über den Genfer See. Diese Sage berichtet von einem wundersamen Schiff, das in manchen Nächten auf dem See erscheint.


Die Idee zu «The Magic Phantom Ship» wurzelt in einer Recherche zu lokalen Geschichten und Schweizer Legenden, in meinem jahrelangen nomadischen Leben, in der Begegnung mit der ASZ und in der schwer zu entziffernden Kraft des Wunsches, weiterhin Geschichten zu erzählen.

In Genf fand ich eine Legende über den Genfer See. Diese Sage berichtet von einem wundersamen Schiff, das in manchen Nächten auf dem See erscheint. Wenn du das Glück hast, es zu sehen, können deine Wünsche wahr werden.

Dies ist der Startpunkt, um über die Sehnsucht nach einem Ort zu reden, den wir unser Zuhause nennen können. Und über die komplexe gegenwärtige Realität der Migration in der Schweiz. Wie manche wissen oder auch nicht, erzählt die Geschichte der ASZ selbst von Bewegung und der Suche nach einem solchen Ort, an dem dieses faszinierende Bildungsprojekt bleiben und weitergeführt werden kann.

Die Schule und ihre Gemeinschaft sind gewissermassen selbst das Wunderschiff. Ein Ort voller Träume, Traurigkeit, Kämpfe und Tausenden von bruchstückhaften Geschichten. Ein Raum voller Respekt, Freiheit und Bildung für alle. Eine Art Zuhause, das als Gegengabe nicht mehr als dieselben Werte fordert, für die es steht. Die Schule und ihre Gemeinschaft helfen jeden Tag, die Türen zu öffnen, um der Sehnsucht, einen Ort aufzubauen, den wir Zuhause nennen, ein wenig näher zu kommen.
In der komplexen Welt, in der wir leben, sind Migration, Exil, politisches Asyl und andere unkonventionelle Formen von Bewegung Teil der Menschheitsgeschichte und ihres unaufhörlichen Lebenskampfes

Was ist mit deiner Sehnsucht nach einem Ort, den du Zuhause nennen kannst? Während ich für diese Projekt recherchiert habe, habe ich das spielerische Falten von Papierbooten wiederentdeckt. Das Erste, was geschieht, wenn du anfängst ein Boot zu falten, ist eine Zerstückelung des Papierbogens durch das Falten und Wiederfalten.

Die unterschiedlichen, unsichtbaren Fragmente, die sich manifestieren, wenn das Boot fertig ist, enthalten die Antworten, die Fragen, die Vorstellung, die Erinnerung, die zum Schweigen gebrachten und miteinander verflochtenen Geschichten aus der Welt der Migration.

Die Ausgangspunkte dieses Projekts sind dokumentarische und fiktionale Bilder, die Wörter und ihre Klänge, Zeichnungen, Videos. Jede Sprache ist willkommen, die erzählt und Gedanken transportiert.
Die Idee ist, neue Wege zu finden, um das Projekt zu entwickeln. Durch Raum für Spiel, kreative Freiheit und kollektives Schaffen. Mit der Beteiligung der ganzen Schulgemeinschaft.

Übersetzt von Katharina Morello

Artikel mit ähnlichen Themen:
Loading ...