24. Februar 2014 Corina Schaub
Wir haben uns vorgenommen, in dieser Ausgabe der Papierlosen Zeitung positive Entwicklungen in den Blick zu nehmen. Optimistisch zu sein, um weiter arbeiten zu können, bedeutet aber nicht, Schwieriges einfach auszublenden. Deshalb möchten wir auch das ansprechen, was uns als ASZ im letzten Jahr mehr als alles andere belastet hat: Die Repression gegen Aktivist_innen unserer Schule, die sich in Kontrollen, Verhaftungen, Ausschaffungen äussert und grosse Verzweiflung mit sich bringt.
Immer präsent sind Polizeikontrollen in der Umgebung der ASZ. Mit unserem Umzug an die Badenerstrasse haben sich die Kontrollen, wie es scheint, verstärkt. Ein Aktivist musste dieses Jahr für drei Monate ins Gefängnis und ist noch nicht zurückgekehrt, ein anderer musste gar zwei Mal drei Monate absitzen. Ihr Vergehen: «Illegaler Aufenthalt». Kaum sind sie wieder auf freiem Fuss, machen sie sich schon wieder des gleichen «Verbrechens» schuldig. Sie stehen stellvertretend für Hunderte von Menschen in der Schweiz, die dieses Jahr wegen «illegalen Aufenthalts» bestraft wurden.
Natürlich gab es auch schon beim Güterbahnhof Kontrollen – nur ein Beispiel von vielen ist dasjenige eines Aktivisten, vor dem plötzlich ein Auto hielt, worauf ein Zivilpolizist ihn kontrollierte. Er erhielt den Befehl, innert 24 Stunden die Schweiz zu verlassen, und machte sich innert weniger Stunden auf den Weg. Alles ging so schnell, dass wir es kaum fassen konnten. Eine solche überstürzte Ausreise ist eine mögliche Konsequenz von Kontrollen.
Eine noch viel traurigere Geschichte mussten wir kurz darauf, Anfang Mai, erleben. Unser Mitaktivist Moncef hatte sich, nach Ausschaffungshaft und Fluchtversuchen, das Leben genommen. Wir demonstrierten mit vielen weiteren Personen, um unsere Verzweiflung und Wut auszudrücken, denn dieser Selbstmord ist nicht bloss eine persönliche Tragödie, sondern eine Folge des Schweizer Asylregimes.
Die Polizeikontrollen und ihre Folgen entreissen der ASZ wichtige Menschen. So wurde auch unser stets an der Schule präsente Aktivist D. im Oktober plötzlich verhaftet und nur wenige Tage nach unserem lautstarken Spaziergang zum Flughafengefängnis, wo wir uns durch ein kleines Fenster sehen und einander zurufen konnten, Hals über Kopf ausgeschafft. Sein Anwalt erfuhr von der Ausschaffung erst im Nachhinein. D. wurde ausgeschafft – in ein Land, das er gar nicht kennt, und ohne seine Geburtsurkunde, die ihm von den Behörden abgenommen wurde.
«Illegaler Aufenthalt» ist nicht die einzige «Straftat», die Aktivist_innen der ASZ dieses Jahr begangen haben sollen. Offensichtlich war auch eine Spontandemonstration – ein legales Mittel, das angesichts von grosser Dringlichkeit ergriffen werden kann – ein Vergehen: Wie sonst könnten wir uns erklären, dass an einem Protest gegen die Annahme des neuen Asylgesetzes am 9. Juni die Polizei sofort zu den Gummischrotgewehren griff und gar einen Wasserwerfer in Betrieb nahm, um die rund 200 friedlich demonstrierenden Personen in die Enge zu treiben?
Wir können nicht alle Fälle von Kontrollen, Schikanen, Verhaftungen etc. aufzeigen, die sich im letzten Jahr gegen Aktivist_innen der ASZ richteten. Allein die wenigen hier festgehaltenen zeigen aber, dass Repression omnipräsent ist.