10. Mai 2021 Amine Diare Conde

Warum dürfen wir nicht lernen?

Stories of Helvetia, gezeichnet von Itzíar Tesán

Fragen an den Bundesrat

Sehr geehrte Frau Bundesrätin Keller-Sutter (EJPD, verantwortlich für das SEM),
Sehr geehrter Herr Bundesrat Cassis (EDA, verantwortlich für die DEZA),


Mich beschäftigen einige Fragen, die ich Ihnen gerne stellen würde. Ich sehe, dass die geltende Praxis im Asylrecht weder die Schweiz noch die betroffenen Menschen zu einem positiven Ziel bringt. Ich habe mir Gedanken gemacht, wie beide Seiten gewinnen könnten. Ist das auch in Ihrem Interesse?
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Seit 2014 bin ich schon in der Schweiz. Ich bin voller Hoffnung und mit vielen Träumen angekommen. Mein Onkel hatte mir geraten: «Amine, wenn du eine gute Bildung willst, musst du nach Europa gehen.» Ich war und bin überzeugt, dass man mit Bildung die Welt verbessern kann. Aus diesem Grund habe ich alles riskiert: die Reise durch die Sahara, fünf Versuche, das Mittelmeer zu überqueren, um endlich in der Schweiz zu landen. War es für Sie auch so schwierig, Ihr Bildungsziel zu erreichen?
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Seit meinem Aufbruch in Guinea hat es mich sieben Jahre gekostet, bis ich in der Schweiz die Sekundarschule nachholen konnte. Die Schweiz hat in dieser Zeit Tausende von Franken für mich bezahlt. Und ich habe sechs Jahre (Bildungs-)Zeit verloren. Ich könnte schon zwei Lehren absolviert haben, wenn es mir mit Status N erlaubt gewesen wäre, sie anzutreten. Ich habe die Sekundarschule und deren Finanzierung selbst organisiert. Ohne die Unterstützung von Freund*innen und Bekannten wäre das nicht möglich gewesen, da ich das nicht selbst finanzieren konnte – ich durfte ja nicht arbeiten. Ich halte dies für einen Systemfehler. Wie denken Sie darüber?
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Meine Idee, die ich Ihnen gerne vorstelle, ist: Wenn geflüchtete Menschen in die Schweiz kommen, sollten sie in das Bildungssystem aufgenommen werden. Statt nutzlos die Zeit verstreichen zu lassen, bis der offizielle Status feststeht oder die erzwungene Rückkehr organisiert ist (und in Kauf zu nehmen, dass die Geflüchteten krank, depressiv oder auch kriminell werden), investiert die Schweiz in die berufliche Zukunft der geflüchteten Menschen. Die Schweiz hätte so besser integrierte, gebildete Bewohner*innen – und auch bessere Steuerzahler*innen, wenn die geflüchteten Menschen hierbleiben können. Und wenn sie nicht hierbleiben können, hätten die abgewiesenen Menschen eine Chance auf eine bessere Zukunft in ihrer Heimat. Sie hätten eine bessere Grundlage und würden nicht auf die Idee kommen müssen, ein zweites Mal zu flüchten. Bildung ist eine Massnahme, bei der beide Seiten nur gewinnen könnten.

Was halten Sie als verantwortliche Bundesräte für geflüchtete Menschen und Entwicklungs-zusammenarbeit von dieser Idee?
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Ich habe gehört, dass die Schweiz alle Asylkosten als Ausgaben für die öffentliche Entwicklungs-zusammenarbeit betrachtet und sie daran anrechnet. Ist das der Fall? – Mir scheint, Bildung und Entwicklung haben viel miteinander zu tun. Wie beurteilen Sie daher den Ausschluss von Bildung für Menschen wie mich?
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Mit sehr grossem Interesse und ebenso grosser Spannung erwarte ich Ihre Antwort und danke Ihnen dafür im Voraus.
Hochachtungsvoll
Amine Diare Conde

PS: Leider blieben meine Fragen unbeantwortet. Der Kommunikationschef von Frau Bundesrätin Karin Keller-Sutter schrieb: „Das Thema Bildungschancen für geflüchtete Menschen ist interessant und relevant. Sie schildern eindrücklich die vielfältigen Herausforderungen Ihrer Flucht und Bildungsintegration. Wir danken Ihnen für diesen persönlichen Einblick. … Weil derzeit unsere Agenda sehr voll ist … müssen wir Ihnen leider absagen. Wir bitten Sie um Verständnis.“


Waren die Fragen vielleicht so gut, dass sie nicht durch Antworten verdorben werden sollten?

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