9. März 2021 Aktivist*innen der ASZ
Das Ja zum Verhüllungsverbot zeigt schon seine spalterische Wirkung. Ein Kommentar zum Kommentar von Patrick Feuz im «Bund».
Nun sind wir also wieder mal so weit: Die Ängste oder, wie der Chefredaktor des «Bunds» Patrick Feuz schreibt, das «Unbehagen» der Bevölkerung gegenüber Muslim*innen müssen ernst genommen werden. Die Initiative für das Verhüllungsverbot wurde so dargestellt, als würde es darum gehen, die Frauen zu «befreien». Die Initiative kommt jedoch von den gleichen Menschen, die sich seit Jahren gegen jegliche Forderungen von Gleichberechtigung stellen, wie Frauenstimmrecht, Scheidungsrecht, Ehe für alle oder Subventionierung von Kitaplätzen. Es ist daher klar, dass die Argumentation nur eine Farce ist. Im Grunde geht es darum, Muslim*innen weiter zu diskreditieren. Und Feuz’ Kommentar zeigt, dass diese Absicht funktioniert.
Feuz – der sich gegen das Verhüllungsverbot ausgesprochen hat – macht bei der Diskreditierung der Muslim*innen selbst mit: «Der Macho-Mentalität und Homophobie von jungen Kosovaren, Bosniern oder Syrern entgegenzutreten, bleibt die Aufgabe von uns allen, auch von den Musliminnen und Muslimen selber.» Mit diesem Satz werden Homophobie und Sexismus in der Schweiz vor allem zu einem Problem von jungen Männern aus dem Kosovo, aus Bosnien und aus Syrien und nicht etwa zu einem von allen Männern.
Im Grunde geht es darum, Muslim*innen weiter zu diskreditieren. Und Feuz’ Kommentar zeigt, dass diese Absicht funktioniert.
Es stimmt, es ist die Aufgabe von uns allen, ob Syrer*in, Schweizer*in oder Kosovar*in, sich Homophobie entgegenzustellen. Es ist aber auch unsere Aufgabe, Islamophobie und Rassismus entgegenzutreten. Die Minarettverbotsinitiative, Masseneinwanderungsinitiative, Durchsetzungsinitiative und jetzt die Verhüllungsinitiative zielen immer in die gleiche Richtung, Muslim*innen zu diskreditieren und zu diskriminieren. Muslim*innen werden als Bedrohung für die Gesellschaft dargestellt und ihnen wird klar gemacht, dass sie hier nicht hingehören.
Dies Haltung schimmert leider auch bei Feuz deutlich durch: «Wir alle haben ein Interesse daran, dass sich die bei uns lebenden 450’000 Musliminnen und Muslime zu Hause fühlen. Sie gehören zur multikulturellen Schweiz, im Alltag gibt es vergleichsweise wenig Probleme.» «Vergleichsweise wenig Probleme» also, da haben «wir» ja noch Glück gehabt. Aber offenbar bereiten Muslim*innen doch in erster Linie mal Probleme. Und «sie» leben «bei uns», womit «sie» von diesem «wir» der Mehrheitsgesellschaft ausgeschlossen sind.
Feuz schreibt weiter: «Das Ja verpflichtet ebenso, entschlossen gegen islamistische Propaganda vorzugehen.» Selbstverständlich sollten wir dagegen vorgehen. Als Antwort auf dieses Ja drängt sich aber eine andere Reaktion auf: Ein entschlossenes Vorgehen gegen die antimuslimische Propaganda, wie sie von der SVP seit Jahren betrieben wird. Wenn es so weitergeht, wird als nächstes die Kopfbedeckung verboten und damit argumentiert, dass in der Schweiz Frauen die Haare nicht verbergen. Und wieder werden überwiegend Männer versuchen, Frauen etwas vorzuschreiben.
Anstatt die Gesellschaft weiter zu spalten, sollten wir dringend daran arbeiten, das Miteinander zu stärken. Das erreichen wir sicher nicht über sinnlose Verbote. Denn diese Verbote sind nicht besser als die Ideologien, die die selbsternannten «Beschützer der Frauen» vorgeben zu bekämpfen. Die Macho-Mentalität, von der Herr Feuz schreibt, wird mit dieser Initiative sogar in die Verfassung geschrieben. Denn mit den betroffenen Frauen gesprochen haben die Initianten wohl kaum.
Wir kämpfen weiter für wirkliche Gleichberechtigung aller Menschen und dafür, dass die nächste rassistische Initiative klar abgelehnt wird.