4. August 2020 Karina Torres

Hatte Marco Polo Heimweh?

Wo ist Zuhause? Das ist die grosse Frage für alle Migrant*innen.

Als die Mutter meines Partners mich fragte, ob ich über Weihnachten nicht zurück nach Peru gehe und ob ich kein Heimweh hätte, da dachte ich: Oh, ich bin eine schlechte Tochter. Mmm. Bin ich das wirklich? Liebe ich meine Mutter nicht, weil ich sie Weihnachten nicht besuche?

Also, dieses Jahr wollte ich gemütlich zuhause bleiben. Zuhause? … Ja, klar, in Zürich! Am Rindermarkt. Dort ist meine Wohnung, demzufolge mein Heim, oder nicht?

Wenn ich meine Vergangenheit anschaue, merke ich, dass ich an jedem Ort, an dem ich war, meinen Verstand, mein Herz und meine beiden Füsse fest verankert habe. Wie wahrscheinlich viele von euch, immer mit erhobenem Kopf und lernbereit. Aber mit der Zeit und zu meinem Erstaunen bemerkte ich, dass viele Migranten, die ich kenne und liebe, oft sagen: «Ich gehe an Weihnachten zurück nach Hause», oder «ich fahre heim für Ostern». Dass sie das immer und immer wieder sagen, bedeutet wohl, dass sie sich hier nicht Zuhause fühlen oder nicht wissen, wo ihr Zuhause ist.

Ich frage mich, ob der bekannte Migrant Marco Polo ein guter Sohn war. Hatte er Heimweh während seiner grossen Reise? Hat er seine Eltern und seine Leute vermisst? Wurde ihm vorgeworfen, dass er so lange weg war?

Auch für Christoph Kolumbus war es nur der Anfang, ein Schiff zu nehmen. Er war ein anderer bekannter Migrant, der beweisen wollte, dass die Welt rund war und dass es im Leben viel mehr gibt als das, was Europa hatte. Christoph Kolumbus konnte sicher nicht jedes Jahr nach Hause zurück. Gewiss liebte er seine Familie. Und seine Karriere auch. Dank ihm haben wir eine Menge kennen gelernt, und er hat der Welt die Tür zur Globalisierung geöffnet.
 
Dank Marco Polo kennen wir die Seide, das Feuerwerk und noch vieles mehr. Sicher wollte Marco Polo einmal zurück nach Italien, aber er war ein Pfadfinder, jemand, der mehr vom Leben verlangte und der in fernen Ländern, wie viele von uns das auch heute tun, nach Lösungen suchte, nach Antworten auf seinen Wissensdrang.

Die Grenze unseres Heimatlandes zu überschreiten, ist fast oft unsere eigene Entscheidung – wie auch Lebensfreude zu spüren, wohin wir gehen und wo wir bleiben. Unser Heim, mein Heim, ist genau da, wo ich bin. Und das, was ich hier aufbaue.

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